Muss man sich selbst zitieren?
Und andere Fragen rund ums Selbstplagiat
Nehmen wir an, Sie studieren in Ihrem Bachelorstudium die Fächer Politikwissenschaft und Sinologie. Für eine Hausarbeit eines Ihrer Politikwissenschaftseminare schreiben Sie darüber, wie die Geschichte Chinas das dortige, aktuelle politische Geschehen beeinflusst. Sie stecken viel Arbeit hinein und die wird auch mit einer guten Note belohnt. Im Semester darauf sollen Sie über ein ähnliches Thema schreiben. Allerdings in einem Seminar Ihres Sinologie-Studiums, für einen anderen Professor. Können Sie dafür Ihre Arbeit des anderen Kurses „recyceln“? Dürfen Sie ganze Textabschnitte oder mehrere Textpassagen aus der alten in die neue Arbeit übernehmen? Oder müssen Sie sich selbst zitieren und falls ja, wie genau?
Wenn Sie sich bei all diesen Fragen nicht wirklich sicher sind, was die richtige Antwort ist, sind Sie damit nicht allein. Selbst gestandene Wissenschaftler sind sich nicht immer einig (siehe diese Diskussion auf Twitter), welche Art der Wiederverwendung gestattet ist und wo eine Grenze überschritten wird. Eine aktuelle Umfrage unter Hochschulmitarbeitern und Studierenden zeigte wenig Konsens über die genauen Umstände, unter welchen die eigenen Texte recycelt werden dürfen.
In diesem Blog-Beitrag möchten wir häufigen Fragen und Missverständnissen rund um die Wiederverwendung eigener wissenschaftlicher Arbeiten nachgehen. Dazu schauen wir uns zunächst an, was ein Selbst- bzw. Eigenplagiat genau ist und klären, unter welchen Bedingungen und wie Sie Ihre eigene Arbeit zitieren können.
Was ist ein Selbstplagiat?
Wenn Sie im obigen Beispiel dieses Blog-Beitrags einfach Ihre politikwissenschaftliche Arbeit in Ihrem Sinologie-Kurs eingereicht hätten, ohne zuvor Änderungen daran vorzunehmen, wäre dies ein Selbstplagiat gewesen.
Wir wissen, dass man die Arbeit anderer nicht plagiieren darf und was genau ein Plagiat ist. Eine kleine Auffrischung: eine einfache Definition eines Plagiats ist es, die Ideen einer anderen Person als die eigenen auszugeben, egal ob absichtlich oder nicht. Zu Beginn des Studiums lernen wir alle, dass man bei der wortwörtlichen Übernahme einer fremden Aussage diese in Anführungszeichen setzen und den Autor zitieren muss. Wir gewöhnen uns auch an, dass wir, selbst wenn wir die Aussagen eines anderen in eigenen Worten wiedergeben, dennoch auf die Originalquelle verweisen. Alles andere wäre intellektueller Diebstahl, der höchst unethisch und manchmal sogar illegal ist. Plagiate gilt es zu vermeiden, denn Sie können große Auswirkungen auf wissenschaftliche Karrieren haben.
Aber wäre es ein Plagiat, wenn Sie Ihre eigene Arbeit wiederverwenden? Da die allgemeine Definition eines Plagiats ist, die Ideen eines anderen zu stehlen, erscheint der Begriff „Selbstplagiat“ wie ein Oxymoron. Wie kann man intellektuellen Diebstahl begehen, wenn man nur seine eigenen Ideen wiederverwendet?
Selbst wenn Sie nicht Ihre eigenen Ideen stehlen können, brechen Sie mit der guten wissenschaftlichen Praxis, wenn Sie keine Originalarbeit einreichen. Das wird von der wissenschaftlichen Gemeinschaft und damit auch Ihren Professoren als unethisch empfunden.
Neben dem Recycling eigener Texte gibt es noch weitere Fälle des Selbstzitats, wie Prof. Meinel von der Universität Regensburg beschreibt. Neben der mehrfachen Einreichung derselben Arbeit bei mehreren Verlagen, erwähnt er auch die „Salamischeiben-Publikation“, bei der zum selben Forschungsergebnis mehrere Arbeiten veröffentlicht werden. Selbstplagiate können sogar als Täuschung angesehen werden, wenn die Arbeit als etwas anderes ausgegeben wird, als sie ist. So sollte bei Übersetzungen in andere Sprachen oder der Neuveröffentlichung unter einem neuen Titel immer der Bezug zur Originalveröffentlichung erhalten bleiben.
In Ihrem Bachelor-Studium müssen Sie sich aber – sofern Sie Ihre Arbeit nicht bereits publizieren – über diese Fälle des Eigenplagiats nicht sorgen.
Frühere Arbeiten verantwortungsvoll wiederverwenden
Wir wissen nun, warum es wichtig ist, Selbstplagiate zu vermeiden. Nun schauen wir uns genauer an, wie Sie Ihre Arbeit ethisch korrekt wiederverwenden können.
Werfen Sie zunächst einen Blick in die Prüfungsordnung und Richtlinien zum wissenschaftlichen Arbeiten Ihrer Hochschule. Die meisten Hochschulen werden Leitfäden zur guten wissenschaftlichen Praxis und auch zum Umgang mit Selbstplagiaten bereitstellen. So ist es in den USA interessanterweise an manchen Universitäten möglich, dieselbe Arbeit in mehreren Kursen einzureichen, sofern die Kursleiter dem zustimmen (beispielsweise bei der Wilkes University). Bei unserer Recherche an deutschsprachigen Universitäten sind wird nicht auf eine solche Regelung gestoßen.
Sollen Sie für ein anderes Seminar über ein ähnliches Thema schreiben, zu dem Sie bereits eine Arbeit verfasst haben, suchen Sie am besten das Gespräch mit Ihrer Dozentin oder Professorin und fragen nach, ob Sie auf Ihrer früheren Arbeit aufbauen können. Im Bachelorstudium werden Sie meist auf Ihre bisherigen Erkenntnisse und Quellen zurückgreifen können. Bei der neuen Arbeit sollten Sie jedoch einen anderen Fokus oder eine angepasste Fragestellung wählen und darauf verzichten, ganze Textabschnitte Ihrer alten Arbeit zu kopieren. Nutzen Sie das ähnliche Thema als Chance, es mit anderen Augen zu betrachten. Ihre Ansichten werden sich geändert haben, seitdem Sie die erste Arbeit verfasst haben, da Sie in der Zwischenzeit Ihren Wissensstand erweitert haben.
Sich selbst zitieren
Selbst wenn Sie nicht den Großteil Ihrer früheren Arbeit wiederverwenden, sondern einen neuen Ansatz wählen, möchten Sie dennoch auf Ihre erste Arbeit verweisen. Sie könnten in der Einleitung der Arbeit einen Hinweis ergänzen, wie: „In diese Arbeit sind die Ergebnisse meiner Hausarbeit X im Seminar Y eingegangen“.
Im Text würden Sie Ihre eigene Arbeit genauso zitieren, wie Sie es bei jeder anderen Quelle auch machen würden. Überlegen Sie aber genau, was und wie viel Ihrer vorherigen Arbeit Sie wirklich zitieren möchten. Zu viele Selbstzitate könnten selbstgefällig wirken. Wenn Sie nach Ihrem Studium mit dieser Praxis weitermachen, könnte der Eindruck entstehen, dass Sie künstlich Ihre Zitierhäufigkeit steigern und damit Ihre Job- und Aufstiegschancen befördern möchten.
Zitieren Sie sich deshalb nicht einfach selbst, da es bequemer ist, als auf die Originalquellen zurückzugreifen. Anders ausgedrückt, sollten Sie sich nicht für ein Sekundärzitat Ihrer früheren Arbeit entscheiden. Nutzen Sie stattdessen wieder die Originalquellen.
Bei jedem Selbstzitat sollte der Fokus auf Ihren eigenen, neuen Ideen oder Erkenntnissen liegen, auf die Sie in Ihrer früheren Arbeit gestoßen sind. In diesem englischsprachigen Blog-Beitrag finden Sie valide Gründe, sich selbst zu zitieren.
Möchten Sie sich selbst zitieren, sollten Sie dabei genauso vorgehen wie bei der Quelle eines anderen Autors. Wenn Sie mit einer Literaturverwaltungssoftware arbeiten, erfassen Sie Ihre Arbeit entsprechend. Für eine Hausarbeit, die Sie zitieren möchten, würden Sie in Citavi den Dokumententyp „Hochschulschrift“ wählen. Im Feld „Art der Schrift“ tragen Sie „Unveröffentlichte Hausarbeit" ein.
Denken Sie daran, dass die Zitierrichtlinien Ihrer Hochschule vorgeben könnten, unveröffentlichte Arbeiten anders im Literaturverzeichnis darzustellen. Unter Umständen könnte dann ein anderer Dokumententyp besser geeignet sein, z.B. Manuskript. Sobald Sie die Daten zu Ihrer Arbeit eingegeben (und wenn Sie mit Citavi arbeiten, den Text, den Sie zitieren möchten, als Wissenselement gespeichert) haben, fügen Sie das Zitat wie gewohnt in Word ein. Ihre eigene Arbeit wird nun automatisch in Ihrem Literaturverzeichnis aufgeführt.
Wir hoffen, dass dieser Blog-Beitrag die häufigsten Fragen zum Thema Selbstzitat und Wiederverwendung einer eigenen Arbeit beantworten konnte. Zu Beginn Ihrer wissenschaftlichen Karriere werden Sie dieser Frage noch nicht so häufig begegnen, da Sie nur auf wenige Vorarbeiten zurückgreifen könnten. Wenn Sie später als Wissenschaftlerin tätig sind und über längere Zeit in Ihrem Fachgebiet forschen, werden Sie unweigerlich auf Ihre früheren Gedanken zurückgreifen, auf ihnen aufbauen und sich vielleicht an unseren Blog-Beitrag erinnern!
Haben Sie sich schon einmal selbst zitiert? Welche Vorgaben macht Ihnen Ihre Institution? Auf Ihre Erfahrungen sind wir gespannt! Erzählen Sie uns davon auf Facebook unter dem Posting dieses Blog-Beitrags oder per Mail an blog@citavi.com.